Dienstag, 15. Dezember 2009

Stellungnahme des Quartiersrats Magdeburger Platz

Drastische Kürzungen im Jugendhilfebereich in Tiergarten-Süd Jugendeinrichtung in der Pohlstraße darf nicht geschlossen werden! In Mitte werden die Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit bei freien Trägern von 2,56 Mio € im Jahr 2009 um 22% auf 1,99 Mio € in 2010 gekürzt. In Tiergarten-Süd soll in diesem Zusammenhang die Jugendeinrichtung des
Stadteilvereins Tiergarten in der Pohlstraße 11 geschlossen werden. In diesem Stadtteil gäbe es dann nur noch die Einrichtung des FiPP e.V. in der Kluckstraße, in der bisher die offene Kinderarbeit stattfand. Für die Kinder- und Jugendarbeit ständen statt bisher 142 T€ nur noch 82 T€ zur Verfügung, eine Kürzung um 42%. Die Schließung einer ganzen Einrichtung ist in Tiergarten-Süd besonders fatal: Tiergarten-Süd ist ein Gebiet mit schwieriger sozialer Struktur und mit einem überproportionalen Anteil an Empfängern staatlicher Transferleistungen. 56% der Menschen haben einen Migrationshintergrund. Daher ist Tiergar-
ten-Süd auch seit 10 Jahren Quartiersmanagementgebiet. In Tiergarten-Süd gibt es keine kommunalen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, die fehlende Angebote freier Träger abfedern könnten. Zudem liegt Tiergarten-Süd abseits aller anderen Stadtteile des Bezirks Mitte und deren Kinder- und Jugendeinrichtungen. Geschlossen werden soll eine Jugendeinrichtung, die bisher einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Stabilisierung der jungen Generation im Stadtteil geleistet hat. Eine Jugendeinrichtung, in der neben Jugendlichen auch Kinder ihre Freizeit verbringen. Hier gibt es den einzigen Mädchentreff im Quartier und ein regelmäßig stattfindendes Elterncafé (beides finanziert aus Mitteln der Sozialen Stadt). Sollten die Kürzungen tatsächlich beschlossen werden, stände den knapp 1.900 Kindern und Jugendlichen in Tiergarten-Süd nur noch ein Angebot für Kinder in der Kluckstraße – ergänzt um ein geringfügiges Angebot für Jugendliche – zur Verfügung. Das ist unzureichend, zerstört mühsam aufgebaute tragfähige Strukturen und mindert Chancen an sozialer Teilhabe. Es ist zu befürchten, dass bei fehlenden Angeboten der offenen Jugendarbeit in Tiergarten-Süd die Prozesse der sozialen Stabilisierung des Stadtteils schweren Schaden erleiden werden. Wir fordern daher, dass die Kinder- und Jugendarbeit in Tiergarten-Süd im bisherigen Umfang aufrechterhalten wird, dass die Jugendeinrichtung in der Pohlstraße erhalten bleibt.

Beschlossen vom Quartiersrat Magdeburger Platz am 2. Dezember 20

Protestschreiben #7

Meine Damen und Herren,

ohne lange nachzudenken schreibe ich Ihnen diesen Brief um Ihnen meine Empörung und meine Wut zur Schließung des Weinmeisterhauses mitzuteilen.
Seit 10 Jahren schon besuche ich dieses Haus, mit 7 Jahren kam ich dort an und bin nun 17. Musiktheater und Theater, Gitarre und Gesang, Zeichnen, Tanzen habe ich im Weinmeisterhaus gemacht. Mit Gruppen aus dem Werk 9 und dem Weinmeisterhaus bin ich in die Ukraine, nach Japan, nach Griechenland gekommen. Auch meine Geschwister haben hier viel gemacht. Nun wird das Weinmeisterhaus gnadenlos geschlossen.
Es ist eine Schande für Berlin. Bald wird Mitte nur noch den Reichen und Schönen gehören. Teure Hotels wie das neue Hotel Amano in der Rosenthaler Straße und schicke Boutiquen wird der Bezirk noch zu bieten haben.
Die Gründe für diese Entscheidung sind bestimmt nachvollziehbar, Berlin ist verschuldet, das wissen alle. Aber vielleicht sind Sie sich dessen nicht bewusst, dass die Schließung des Weinmeisterhauses und zahlreicher anderer Einrichtungen neben allen finanziellen Vorteilen
für die Stadt und ein wenig Verärgerung und Kopfschütteln vieler Menschen ein wahrhaftiges kulturelles und seelisches Verbrechen, eine Ungerechtigkeit ist. Seit 55 Jahren existiert das Weinmeisterhaus schon und nun soll alles weg. In einem Mal. Menschen verlieren ihre Arbeit, ihren Mut, ihre Motivation. Ich will nicht daran denken, was mit den vielen lieben Menschen des Hauses passieren wird. Können Sie dies mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Seien Sie keine Rechenmaschinen, seien Sie wahre Politiker und denken Sie an die Folgen dieser Entscheidung.
Ich habe das Gefühl, Berlin macht sich was den Ruf der Stadt angeht, etwas zu viel vor. Qualitativ kann Berlin sich einen derartigen Verlust des Kulturlebens nicht leisten. Das Kulturleben wird immer hipper, schicker und teurer. Die Oberfläche glänzt immer schöner, und Berlins Ruf einer Kulturmetropole verbessert sich immer mehr, doch im Hintergrund werden heimlich, still und leise Kultur- und Jugendeinrichtungen geschlossen. Traurig.

Was bleibt uns noch übrig? Abwarten, nachdenken? Diskutieren?

Handeln? Aber wie?

Montag, 14. Dezember 2009

Protestschreiben #6

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Victoria Schulz und ich wende mich an Sie wegen der Schließung des Weinmeisterhauses. Wären sie nur einmal selbst dort gewesen, hätten Sie sich sofort gegen die Schließung ausgesprochen, da die Einrichtung Sie mit ihrer großartigen Ausstattung und dem vielseitigen Angebot überzeugt hätte! Es wäre ein großer Verlust für Jugendliche und Kinder in der Umgebung, aber auch von anderen Bezirken. Denn das Haus ist in vielen anderen Bereichen auch bekannt und beliebt. Ich frage mich was es für plausible Gründe geben kann, solch eine Jugendförderungsstätte zu schließen... Für Ihre Kinder würden Sie sich sowas nur wünschen!!! Es wäre doch auch möglich noch ein paar Alternativen zu finden, wie zum Beispiel Beitragzahlungen der regelmäßigen Besucher, so könnte sich das Haus teilweise selbst finanzieren.

Das Haus hat eine perfekte Lage und hat eine sehr attraktive Architektur, es wäre schade, wenn es aus dem Allgemeingut abgetreten werden müsste.

Mit freundlichen Grüßen

V. Schulz

Protestschreiben #5

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Querflötenlehrer des Weinmeisterhauses Berlin Mitte (freier Mitarbeiter). Über 9 Jahre habe ich dort unterrichtet und ein solides instrumentalspezifisches Angebot aufgebaut völlig ohne normalerweise übliche Gehaltskosten für die öffentliche Hand. Nun wollen Sie als Bezirksverordnete das Haus aus Spargründen schließen. Wird diese Entscheidung in die Tat umgesetzt, stünde ich mit derzeit 20 Schülern plötzlich ab dem 1.1.2010 ohne Unterrichtsraum da. Die kostenlose Zurverfügungstellung ermöglichte in der Vergangenheit ein preisgünstiges Gestalten von Einzel- und Ensemblespiel, sowie auch beispielsweise in der Zusammenarbeit mit der Jugendhilfeeinrichtung "Steg e.V." (ein Wohnprojekt) das Unterrichtsangebot für benachteiligte Jugendliche mit Förderung des Bezirksamtes. Weil ich es als Künstler wichtig erachte, möchte ich meine Arbeit möglichst in der unmittelbaren Nähe (kleinere Kinder schaffen weitere Wege nicht) fortsetzen, habe aber schon von den öffentlichen Häusern in der Umgebung wie z. B. VHS, Kulturhaus Mitte (denen auch die Schließung droht) Absagen erhalten, andere wie z. B. die Musikschule "Fanny Hensel" reagieren erst gar nicht.

Vielleicht wollen Sie bitte die Folgen Ihrer möglichen Entscheidung gegen die inhaltlichen Angebote für Jugendliche bedenken: Erhalten Sie jetzt in einer zum Verkauf ungünstigen Situation ein sehr geringes Geld, zahlen Sie später vermutlich viel mehr: z. B. für Sozialbeiträge, Resozialisierung kriminell gewordener Jugendlicher etc. drauf.

Protestschreiben #4

Sehr geehrte Frau Jutta Schauer-Oldenburg,

da morgen die BVV-Sitzung statt findet, möchte ich es nicht versäumen noch rechtzeitig davor meine Ermpörung zum spontanen und völlig überflüssigen Entschluss die Jugend-und Kultureinrichtung Weinmeisterhaus zu schließen kund tun. Ich möchte gerne wissen wie es möglich ist nach einer Menge Verhandlungen und bereits gefundener Lösungen einen solch radikalen Entschluss zu fassen.
Im Allgemeinen finde ich es eine Sauerei aufgrund von Haushaltslöchern, für die die Jugend keine Schuld trägt, Einrichtungen zu schließen, die diese unterstützen sich zu entwickeln und weiterzuentwickeln.
Gerade an der Jugend und der Kultur sollte man in einer Stadt wie Berlin und auch sonst nirgendwo sparen.
Wir sind die Zukunft dieses Landes und ich habe immer mehr das Gefühl, dass das gerne vergessen wird!
Denkt denn überhaupt keiner mehr über die Folgen solcher Aktionen nach? Wie kann man nur so kurzsichtig handeln?
Wir möchten keine Almosen oder sonst etwas in der Art aber wenn einem in jeder Hinsicht Steine in den Weg gelegt werden, dann ist es wohl verständlich, das viele der jungen Leute lieber ins Ausland gehen um dort zu lernen, leben und zu arbeiten.
Einrichtungen wie das Weinmeisterhaus fördern die Jugend! Alle Altersgruppen sind in diesem Haus seit 55 Jahren vertreten. Sie kommen dort hin um zu lernen und kreativ zu sein.
Das Weinmeisterhaus ist nicht nur ein Jugendclub, jede künstlerische Fachrichtung ist dort sehr professionell vertreten. Ich spreche aus Erfahrung, da ich seit 2 Jahren den Fotobereich des Weinmeisterhauses besuche und ohne diese Hilfe fotografisch nie an dem Punkt wäre, an dem ich jetzt bin. Ich hab dort so viel gelernt, eine Menge Gleichgesinnte getroffen, konnte mich austauschen.
Was ist der Grund, dass dies in Zukunft nicht mehr so sein soll? Wie kann man mit reinem Gewissen schlafen gehen nach so einem Entschluss?
Warum muss an den Fehlern im Haushalt immer die Jugend und die Kultur der Stadt leiden?
Das ist es doch was Berlin überhaupt interessant macht.

Ich denke dieses Thema ist und sollte noch nicht abgeschlossen sein.
Berlin braucht das Weinmeisterhaus!

Mit freundlichen Grüßen,

Protestschreiben #3

Ich werde auf höfliche Anredeformen verzichten, da ich sowieso kaum mehr ein Fünkchen Respekt für ihre Person aufbringen kann.

Was ich wissen will, ist: Wann begreift ihr Politiker endlich, dass die Jugend die Stütze der Gesellschaft ist und gefördert werden muss?
Ihr spart an der Jugend und schneidet euch somit ins eigene Fleisch!! Es wird Geld rausgeschmissen für unnütze Zwecke, ihr lasst Stadtschlösser bauen, die kein Mensch hier braucht... Es ist genug Geld vorhanden, nur ihr macht damit was ihr wollt. Es geht euch an euren Ärschen vorbei, was mit den Betroffenen ist. Ihr schließt hier Jugendeinrichtungen, die wichtig für sehr sehr viele Menschen ist.

Ich finde mich nicht damit ab, dass das Weinmeisterhaus zum 31.12.09 geschlossen wird! Monatelang habt ihr uns hingehalten, wir haben gekämpft und uns wurden Hoffnungen gemacht und wir haben geglaubt, dass alles gut geht! Was ist passiert dass jetzt alles umsonst war?! Ihr habt nichtmal Argumente dargelegt, wieso der Beschluss nun so aussieht!!! Ich verlange hiermit eine Erklärung und bitte um Antworten!
Dieses Haus ist für mich und viele andere Kinder und Jugendliche ein wichtiger Anlaufpunkt. Wieso seht ihr nicht was ihr uns wegnehmt?! Es ist für viele dort wie eine Familie, die Mitarbeiter sind ein eingeschworenes Team, das nicht ausseinandergerissen werden darf! Ihr nehmt Lebensinhalte und Perspektiven weg! Es gibt in ganz Berlin keine andere Einrichtung, die so vielfältig ist! Ich weiß nicht wo ich hin soll, wenn das Weinmeisterhaus nicht mehr existiert. Ich habe dort viele Gleichgesinnte und Freunde getroffen und wir können dort umsonst und mit Unterstützung der Mitarbeiter an unseren Sachen arbeiten - wie wir z.B. im Fotografiebereich. Wir können uns das anders nicht leisten! Nirgendwo in ganz Berlin gibt es eine Alternative! Wie sollen Jugendliche ohne solche Einrichtungen weitermachen? Wir wissen nicht, wie wir weitermachen können, wenn die Werkstätten des Hauses nicht mehr existieren. Aus ganz Berlin kommen Kinder und Jugendliche in das Haus! Nicht nur aus Mitte! Ebenso aus vielen ärmeren Vierteln! Wir brauchen die Unterstützung in Mitte genauso wie in "ärmeren" Stadtvierteln! Es wird schlimme Folgen haben... Ihr schließt nicht nur ein Haus! Ihr zerstört hier Beziehungen und Perspektiven! Ihr nehmt uns den Boden für Kreativität! Ohne Kreativität und Kunst, ohne die Jugend, wird unsere Gesellschaft noch mehr verrohen! Warum versteht ihr nicht, dass ihr auf dem falschen Dampfer seid?! Jetzt müsst ihr Millionen in den Bau des Jugendknastes stecken... Wartet nur ab, wieviele Knäste ihr weiterhin bauen müsst, wenn ihr die Jugend jetzt im Stich lasst und ihr alles nehmt! Wir lassen uns nicht verarschen von euch!
Wir haben nichts mit euren Schulden zu tun! Fangt an, an den richtigen Stellen zu sparen! Wir haben euch nicht gewählt, damit ihr uns nun alles nehmt! Ihr schiebt Geld ein, für den ganzen Mist den ihr hier macht und beschließt! Und alles andere ist euch egal! Das darf nicht sein, so weit wird es nicht kommen! Das Weinmeisterhaus bleibt!!

Protestschreiben #2

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Entsetzen und Wut habe ich von der Schließung der Kultur-und Jugendeinrichtung Weinmeisterhaus gehört. Ich finde es unfassbar, dass Haushaltskürzungen und Sparmaßnahmen immer als erstes soziale Projekte und Jugendeinrichtungen betreffen, die meiner Meinung nach eine sehr wichtige Aufgabe erfüllen: die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Ich besuche das Weinmeisterhaus seit mehr als 5 Jahren sehr oft und fand es unglaublich befriedigend, dass der Bezirk ein solch wunderbares Haus mit all seinen Projekten unterstützt. Ich habe bis heute kein ähnliches Projekt finden können, dass diese Vielfalt an kostenlosen Angeboten unter einem Dach vereint. Ich bin sehr traurig und wütend, dass es nun weichen soll und hoffe, Sie mit meinem Protestbrief etwas beeinflussen zu können, sodass es vielleicht doch nicht zur Schließung des WMHes und Entlassung seiner Mitarbeiter kommt.

Mit einem wütenden Gruß
>

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Stellungnahme NEW WAY



Abgang Fritsch

Protestschreiben #1

Sehr geehrte Damen und Herren des Jugendhilfeausschusses,
sehr geehrter Bürgermeister von Berlin - Mitte,

mit Bestürzung haben wir die Nachricht erhalten, das das Jugendteam,
Anlaufs- und Treffpunkt für Jugendliche sich auflösen soll.

Ich habe in diesem Jahr, 2009, in Zusammenarbeit mit dem Jugendteam
und Künstlern aus dem Kiez folgende 2 Aktionen / Projekte durchgeführt.
Über das Jugendteam hatten wir einen engen Kontakt zu den teilnehmenden
Kindern / Jugendlichen. Wir haben erlebt, wie anteilnehmend und engagiert
Kinder betreut werden, für welche Vielfalt von Fragen das Jugendteam Ansprechpartner ist
und so Defizite der Familien ausgleichen kann und neue Erlebnisinhalte schafft.
Diese Arbeit ist wichtig und sinnvoll.

Bitte überdenken Sie Ihre Entscheidung und unterstützen Sie damit auch das ehrenamtliche Engagement von Künstlern und Anwohnern künstlerische Aktionen für und mit Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Durch eine Schließung der Einrichtungen in der Pohlstraße 11 würden sich bereits bestehende Strukturen auflösen und tragfähige Möglichkeiten der Teilhabe gerade sozial schwächerer Schichten zu nichte gemacht.
Und damit würde auch ein Stück Kiez-Kultur verschwinden, auf was wir stolz sind, für das wir uns engagieren.
Im Namen der an den KinderKunstAktionen beteiligten Künstler

Gabriele Hulitschke
Anwohnerin, Quartiersrätin, Projektkoordination

Personalausstattung sozialräumlich orientierter Berliner Jugendämter

Jugendamt Mitte

Monika Goral 19.11.09

Kommissarische Jugendamtsleiterin





Vorbemerkung zur standardisierten Abfrage zum Abschlussbericht

  • Personalausstattung sozialräumlich organisierter Berliner Jugendämter-




Die Verwaltung des Jugendamtes Mitte unterstützt ausdrücklich die Entwicklung eines fortschreibungsfähigen, kontextbezogenen Personalbemessungssystems auf der Grundlage eines sozialräumlich strukturierten und ausgerichteten Jugendamtes.

Auch wenn einzelne Empfehlungen kritisch oder zur Zeit kritisch gesehen werden, so bedeutet das nicht, die Studie in ihrem grundsätzlichen Anliegen in Frage zu stellen.

Im Gegenteil, die konsequente Herstellung der Anschlussfähigkeit von Zielen und Ausrichtungen in Maßnahmen und Schlussfolgerungen gebührt aus meiner Sicht hohen Respekt. Wichtig dabei ist allerdings die Notwendigkeit der starken Einflussnahme des Bezirkes auf den Grad der gewollten Veränderung. So zum Beispiel erscheint die Regionalisierung der wirtschaftlichen Jugendhilfe sozialräumlich denkend folgerichtig, ist jedoch hier in Mitte aus personellen und räumlichen Gründen zur Zeit verantwortungsvoll nicht umsetzbar.


Andererseits ist die Berücksichtigung von fallunspezifischen Arbeitsanteilen, die Stärkung der Aufgabenwahrnehmung vor Ort, die Berücksichtigung von Ausfallzeiten und die Aufwertung des Kinderschutzes sind hier im Bezirk Mitte hochgradig konsensfähig.


Grundlage der Erhebung ist das Berliner Leitbild Jugendamt aus 2003, in dessen Profil sich das Jugendamt im wesentlichen auf seine planerischen, gewährleistenden und steuernden Aufgaben konzentriert und regulär die leistungserbringenden Aufgaben beim freien Träger liegen. Dementsprechend operationalisieren sich die einzelnen Empfehlungen aus den verschiedenen Leistungssträngen in der Studie konsequenterweise. Einige dieser Punkte werden heute aus wirtschaftlichen Erwägungen kritisch gesehen. Die Outsourcing- Erfahrungen in den letzten 6 Jahren im Bezirk Mitte sind unterschiedlich. Die bislang unzureichenden Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu Outsourcing- Empfehlungen lassen zur Zeit deshalb weder eine allgemeine Zustimmung, noch eine Ablehnung zu. Entsprechende Fragestellungen sind deshalb unbeantwortet.


Die Beantwortungen der standardisierten Abfrage basieren auf diesen Vorbemerkungen.






Stellungnahme der Leiterinnen und Leiter der Berliner Jugendämter
zum Abschlussbericht „Personalausstattung sozialräumlich orientierter Berliner Jugendämter“ vom 1. Juli 2009. Die Leiterinnen und Leiter der Berliner Jugendämter haben sich intensiv mit dem vorliegenden Abschlussbericht auseinandergesetzt und nehmen wie folgt Stellung: Die Leiterinnen und Leiter der Jugendämter verantworten entsprechend der ihnen übertragenen Funktion den fachlichen und wirtschaftlichen Einsatz von ca. 1,5 Milliarden Euro im Land Berlin. Aufgrund der im VGG vorgegebenen Rolle haben die Leiterinnen und Leiter der Jugendämter die Ergebnisverantwortung für die sachgerechte Verwendung dieses Finanzvolumens. Es ist davon auszugehen, dass die Positionierung der Leiterinnen und Leiter der Jugendämter gemäß ihrer Rolle und Verantwortung von entscheidender Bedeutung für Schlussfolgerungen zur Weiterentwicklung der Berliner Jugendämter sein muss.
Unbestritten ist die Rahmensetzungskompetenz der Senatsebenen, aber gleichzeitig ist wohl kaum in Abrede zu stellen, dass dies nur mit den verantwortlichen Spitzenführungskräften der Jugendämter stattfinden kann. In Zeiten gesteigerter Anforderungen an die öffentliche Jugendhilfe einerseits und finanzieller Mangelsituation andererseits, wäre eine falsche Weichenstellung fatal. Die Leiterinnen und Leiter der Jugendämter sind sich deshalb Ihrer Verantwortung bewusst und sind zur Entwicklung optimaler Strukturen bereit. Grundsätzlich besteht die Zustimmung zu einem Personalbemessungsmodell. Es gibt jedoch Einwände, die im Folgenden dargelegt werden. Auf zwei gravierende Probleme soll bereits an dieser Stelle aufmerksam gemacht werden. Zum einen basiert das Personalbemessungsmodell (aus bekannten Gründen) im Wesentlichen auf den Ergebnissen der Kosten-Leistungs-Rechnung. Damit sind qualitative Elemente nur im Rahmen dieses Mediums Bestandteil der Berechnung. Zum anderen ist der zehnprozentige Abschlag der gewichteten Hilfedichte nicht zu akzeptieren, da ein derartiger Nachweis der Wirkung eines solchen ablauforganisatorischen Umbaus bundesweit fehlt. Im Einzelnen: Zur Aufgabenstruktur Die Schwerpunktsetzung künftiger Aufgaben des Jugendamtes auf die (Kern-) Aufgaben Gewährleistung, Planung, Angebotssteuerung, Qualitätsentwicklung und die Absicherung der Verwaltungsroutinen war bereits in dem 2003 erarbeiteten „Leitbild der Berliner Jugendämter“ angelegt. Hierbei handelt es sich um die Klärung der rechtlichen Zulässigkeit bei der Aufgabenteilung zwischen den öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe. Völlig ungeprüft bleibt der Faktor der Wirtschaftlichkeit und der fachlichen Praktikabilität. Es zeigt sich inzwischen in bereits vollzogenen Übertragungen in einigen Bezirken (z. B. Pflegekinderdienst), dass die Kosten steigen, ohne gleichzeitig eine messbare Steigerung des Outputs zu erreichen. Deshalb sind zunächst entsprechend der fachpolitischen Zielvorstellung des Leitbildes 2003 gründliche betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analysen durchzuführen, bevor flächendeckende Übertragungen/Auslagerungen stattfinden können.
Erledigung von Querschnittsaufgaben durch zentrale bezirkliche Serviceeinheiten
Die Aufgabenwahrnehmung der Serviceeinheiten aus den Bereichen Haushalt/KLR und Personal sowie des Liegenschaftsmanagements durch zentrale bezirkliche Serviceeinheiten folgt einer sehr idealtypischen Betrachtung, die in der Alltagspraxis nur Ausnahmeerscheinungen sein dürften. Zur verantwortlichen Steuerung eines Jugendamtes ist es zwingend erforderlich, dass interne Serviceleistungen konsequent im Interesse des Jugendamtes umgesetzt werden. Es ist zu unterstellen, dass zentrale Serviceeinheiten in der Regel systembedingt LuV-übergreifende Interessen verfolgen müssen, um die globalen Zielsetzungen einer Bezirksverwaltung zu realisieren. In vielen Fällen agieren diese Serviceeinheiten äußerst intransparent und folgen anderen Logiken, um diese übergreifenden Bezirksziele zu erreichen. Dies widerspricht jedoch der Zielsetzung eines konsequent geführten Jugendamtes. Ebenfalls zeigt die Realität, dass das genannte Auftragsnehmer–
Auftragsgeberverhältnis auch unter Anwendung von Service- oder Zielvereinbarungen den bereits beschriebenen Zielkonflikt nicht aufhebt. Auch bei dieser Empfehlung wird von einer Effizienzsteigerung ausgegangen, die lediglich hypothetisch begründet wird. Bei einem Wirtschaftlichkeitsvergleich ist außerdem zu bedenken, dass die Leistungen zentraler Serviceeinheiten nicht kostenfrei erbracht werden, sondern durch interne Verrechnungen durch das Jugendamt weiterhin zu nicht beeinflussbaren Preisen finanziert werden müssen. Reale Steuerungsmöglichkeiten selbst bei nachgewiesener Minderleistung der Serviceeinheiten bestehen i. d. R. nicht.
Zum Rollenkonzept :
Die in der Bestandsaufnahme des Gutachtens festgestellte Rollenunklarheit der Ebenen Jugendhilfeplanung, Fachsteuerung und Controlling wird im Rollenkonzept nicht wirklich aufgehoben. Die Beschreibungen bleiben unscharf und bedürfen gerade mit Blick auf die Zielvereinbarung zum standardisierten Fachcontrolling Hilfen zur Erziehung (HzE) vom 16. Oktober 2009 der Aktualisierung. Auch das Rollenkonzept der Regionalleitungen bleibt nicht frei von Widersprüchen und bedarf der deutlichen Präzisierung: Die LuV-Leiterinnen und -Leiter als Leitungskräfte der ersten Führungsebene haben die Ergebnisverantwortung über fachliche, organisatorische und finanzielle Sachverhalte. Die Schlüsselrolle der Regionalleitungen in einem sozialräumlich organisierten Jugendamt ist in der Tat von Bedeutung, jedoch erstreckt sich die Fach- und Ressourcenverantwortung der Regionalleitung qualitativ und quantitativ auf die pflichtgemäße Erledigung von Aufträgen. Auch der Abschluss einer Zielvereinbarung bindet die Regionalleitung nicht wirklich, sondern ist tendenziell eher als ein Orientierungsrahmen zu betrachten. Es irritiert, wenn an anderer Stelle des
Rollenkonzeptes gleichwohl der Regionalleitung die Ergebnisverantwortung zugeschrieben wird. Zur Aufbauorganisation des Musterjugendamtes Die empfohlene Aufbauorganisation der Regionalen Organisationseinheit gibt interessante Denkanstöße zur Optimierung einer Aufbaustruktur. Nach unserer Kenntnis gibt es erprobte Modelle eines „Eingangsmangement“ in unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik. Allerdings führen diese zu keiner nennenswerten Einspargröße, sondern lediglich zu einer Personalverschiebung und Veränderung der Ablauforganisation innerhalb der Regionalen Organisationseinheit Unberücksichtigt bzw. nicht hinreichend berücksichtigt bleibt die Frage der kontinuierlichen Betriebsfähigkeit z. B. der Wirtschaftlichen Jugendhilfe, wenn diese auf die einzelnen Regionen aufgeteilt sind. Die Anfälligkeit in Betriebsteilen mit geringen Personalstärken steigt, je geringer die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist. Im ungünstigsten Fall kann dies zu einem Totalausfall führen, der relativ umständlich durch Eingriffe in andere Regionen ausgeglichen werden muss. Dies ist eine prinzipielle Schwachstelle dezentraler Organisationsstrukturen und sollte nur zur Anwendung kommen, wenn hinreichend stabil Ausgleich/Vertretung geschaffen werden kann. Grundsätzlich kann die vorgeschlagene Aufbauorganisation als idealtypisches Modell betrachtet werden, welches als Differenzierungsgrundlage für die Personalbemessung für die jeweiligen Jugendämter dienen kann. Es wäre verfehlt, dieses Idealmodell als verbindliche Vorgabe den Jugendämtern vorzuschreiben. Es muss im Ermessen der Jugendamtsleitungen bleiben, im Kontext mit der ihnen obliegenden Ergebnisverantwortung die Struktur und den Aufbau nach den realen Bedingungen zu organisieren. Die Struktur muss den Aufgaben und den vorhandenen bezirklichen Bedingungen folgen. Diese Grundsätze in ein outputorientiertes Jugendamt zu implementieren, ist die Aufgabe (und die Kunst) eines Jugendamtsleiters/leiterin. Zum Personalbemessungsmodell Das entwickelte Personalbemessungsmodell findet unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten kritischen Anmerkungen zu einem Musterjugendamt weitreichende Akzeptanz bei den Leiterinnen und Leitern der Jugendämter. Bei der Zielsetzung einer objektivierbaren Personalbemessung finden die drei gesetzten
Bemessungselemente unsere Zustimmung in dem Bewusstsein, dass sich hieraus auch schmerzhafte Änderungs- und Anpassungsnotwendigkeiten ableiten lassen. Mittelfristig bietet sich dadurch die Möglichkeit einer vergleichbaren indikatorengestützten Personalausstattung der 12 bezirklichen Jugendämter, was an sich als anzustrebende Größe gesehen wird. Ebenfalls ist die Entwicklung eines fortschreibungsfähigen und kontextbezogenen
Personalbemessungssystems grundsätzlich zu begrüßen, weil damit erstmalig das gesamte Aufgabenspektrum des Jugendamtes abgebildet wird. Während es einerseits eine Vergleichbarkeit zwischen 12 Jugendämtern herstellt, werden andererseits die unterschiedlichen sozialen Entwicklungstendenzen hinreichend berücksichtigt. Auch die Berücksichtigung realer Ausfallzeiten durch Krankheit, Kur etc. dient einem realitätsgerechten Ansatz von Personalausstattung.


Auftrag an die Bezirksaufsicht




















Vortrag vonProf. Dr. Manfred Kappeler

Vortrag auf der ver.di-Veranstaltung zur Kritik des im Auftrag des Berliner Senats
von der Firma Steria Mummert Consulting konzipierten „Musterjungendamtes“
am 4. November 2009

Der geplante Ausverkauf der Kinder- und Jugendarbeit durch die Oberste Landesjugendbehörde und die Bezirks-Jugendämter in Berlin
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aufgaben der Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 KJHG/SGB VIII gehören zu den mit dem höchsten Grad rechtlicher Verbindlichkeit ausgestatteten Leistungen der Jugendhilfe:
§ 11 Jugendarbeit
(1) Junge Menschen sind (Hervorhebung M.K.) die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung bewegen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.“
Mit dieser Formulierung wurde der Jugendarbeit im Unterschied zum alten Jugendwohlfahrtsgesetz eine rechtlich fundierte eigene Bedeutung zugebilligt.
In § 79 SGB VIII (Gesamtverantwortung/Grundausstattung) ist eine allgemeine Gewährleistungspflicht der Öffentlichen Träger der Jugendhilfe festgelegt, die bezogen auf die Jugendarbeit folgendermaßen formuliert ist: „Von den für die Jugendhilfe bereitgestellten Mitteln haben sie einen angemessenen Anteil für die Jugendarbeit zu verwenden.“
Im Handbuch „Kinder- und Jugendhilferecht“, herausgegeben von den führenden Kommentatoren des KJHG, Johannes Münder und Reinhard Wiesner, heißt es: „§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist insoweit unzweifelhaft eine ‚Muss-Bestimmung’: Sie enthält eine klare und eindeutige Leistungsverpflichtung (Hervorhebungen im Text) des örtlichen Trägers der Öffentlichen Jugendhilfe, diese Angebote zur Verfügung zu stellen bzw. im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips und in Wahrnehmung der Gesamtverantwortung/Gewährleistungsverpflichtung nach § 79 SGB VIII dafür zu sorgen, dass Angebote der Jugendarbeit in bedarfsgerechtem Umfang zur Verfügung gestellt werden. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII lässt in dieser Hinsicht nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig (…) Hinsichtlich des ‚Ob’ der Gewährleistungsverpflichtung des Öffentlichen Trägers kann es mithin keinen Zweifel geben. Es wäre eindeutig gesetzeswidrig, wenn keine oder nur völlig unzureichende Angebote unterbreitet würden.“ (Münder/Wiesner 2007. 194ff.)
Die Kinder- und Jugendarbeit soll Kindern und Jugendlichen „die Möglichkeit der Teilnahme an allgemein zugänglichen Veranstaltungen oder Maßnahmen oder die Möglichkeit der Nutzung von Diensten und Einrichtungen der Jugendarbeit“ gewährleisten, „deren Art, Inhalt, Dauer und Anzahl sich nach den durch die örtliche Jugendhilfeplanung (§ 80 SGB VIII) zu ermittelnden Bedarf richten“. (Münder/Wiesner, a.a.O.)

Um den „angemessenen Anteil“ der Kinder- und Jugendarbeit am Gesamtbudget der Jugendhilfe wurde in Berlin in den Neunzigern ein jahrelanger Kampf von den im Landesjugendring zusammengeschlossenen Jugendverbänden und Freien Trägern der Jugendarbeit und einem einzelnen Freien Träger (Kinderfarm Wedding) mit dem Senat ausgefochten, der immerhin das Ergebnis hatte, dass von den geforderten 25% des Jugendhilfeetats, die der Landesjugendring nach seinen Bedarfsberechnungen für angemessen hielt, 10% im Berliner Gesetz zur Ausführung des KJHG (AG KJHG) festgeschrieben wurden. Diese Bestimmung gilt noch heute. Als das Gesetz 1995 verabschiedet wurde, wäre das eine Steigerung von circa 25 Millionen DM für die Kinder- und Jugendarbeit in Öffentlicher und Freier Trägerschaft gewesen. Dazu ist es nie gekommen. Im Gegenteil. Ich schätze, dass der Anteil der Kinder- und Jugendarbeit am Jugendhilfeetat, der damals nach meiner Erinnerung bei 5,6% lag, heute etwa 3,5% beträgt. Das sind Durchschnittszahlen für das Land Berlin, wie es bei den einzelnen Bezirks-Jugendämtern aussieht, müsste jeweils geprüft werden. Die Senatsjugendverwaltung bezeichnet die 10% im AG KJHG als eine Selbstverpflichtung, deren Realisierung sich nach der allgemeinen Haushaltslage richte und keinen rechtlichen Anspruch eröffne. Klagen des Landesjugendrings und der Weddinger Kinderfarm gegen diese Verletzung des § 10 AG KJHG bei den Berliner Verwaltungsgerichten hatten keinen Erfolg beziehungsweise endeten in einem Vergleich. Allerdings ging der juristische Vertreter des Landesjugendamts auf der Grundlage der Urteilsbegründung des Berliner Oberverwaltungsgerichts in einem Vermerk vom März 1997 davon aus, „dass bei andauerndem Verstoß gegen § 48 Abs. 2 AG KJHG nicht doch eines Tages eine verstärkte Rechtsstellung des Freien Trägers begründbar wäre. Es bleibt daher auch aus rechtlichen Gründen die Notwendigkeit bestehen, unsere Bemühungen für die Realisierbarkeit des § 48 Abs. 2 AG KJHG (10%-Regelung für die Kinder- und Jugendarbeit, M.K.) fortzusetzen. Die Darstellung der Finanzsituation im Landesjugendplan wird hierzu weitere Anhaltspunkte liefern.“ Teilnehmer an der mündlichen Verhandlung vor dem OVG erinnern sich, dass der Vorsitzende Richter damals die Auffassung vertreten habe, die 1995 in das AG KJHG aufgenommene 10%-Regelung habe im Jugendhilfeetat des Jahres 1996 noch nicht zur Wirkung kommen können weil das Land Berlin nicht ausreichend Zeit genug gehabt habe, die Verpflichtungen aus dem AG KJHG zu erfüllen. Inzwischen besteht diese gesetzliche Regelung seit vierzehn Jahren. Sie ist in diesem Zeitraum noch nie erfüllt worden und es wäre an der Zeit, dass der Landesjugendring Berlin oder ein einzelner Träger der Kinder- und Jugendarbeit eine Klage beim Verwaltungsgericht einreicht. Den Anlass dafür könnte die jetzt in großem Umfang von den Berliner Bezirks-Jugendämtern geplante Übertragung der Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 KJHG an Freie Träger liefern, die mit dem erklärten Ziel der Kosteneinsparung im Jugendhilfeetat der örtlichen Öffentlichen Jugendhilfeträger angestrebt werden. Nach einem Urteil des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17. Juli 2009 gilt bei der Finanzierung der Freien Träger nach § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII das Gebot der Gleichbehandlung der Aufwendungen der Träger der Freien Jugendhilfe mit den Aufwendungen der Öffentlichen Jugendhilfe und zwar auch dann, wenn der Öffentliche Jugendhilfeträger selbst eine gleichartige Maßnahme nicht durchführt. Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Art und Höhe der Förderung der einzelnen Träger der Kinder- und Jugendarbeit erfordere ein hinreichendes jugendhilferechtliches Maßnahmenkonzept einschließlich einer durch den Träger der Öffentlichen Jugendhilfe vorzunehmenden Prioritätensetzung (Förderkonzeption). Das Bundesverwaltungsgericht verweist in diesem Zusammmenhang immer wieder auf die Bedeutung der Jugendhilfeplanung. Dieser Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts könnte meines Erachtens die Chancen für eine Entscheidung der Berliner Verwaltungsgerichte bezogen auf § 48 AG KJGH (10%-Regelung) im Interesse der Kinder- und Jugendarbeit in der Stadt erhöhen.
Die sachliche Zuständigkeit für die Aufgaben der Jugendhilfe nach § 11 und 12 liegt beim örtlichen Träger, der nach § 85 in Verbindung mit § 2 SGB VIII auch die Finanzierung dieser Aufgaben gewährleisten muss. Dazu gehört die Kinder- und Jugendarbeit des Öffentlichen und der Freien Träger im Zuständigkeitsbereich eines Jugendamtes. In § 11 KJHG Abs 2 werden neben „Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend“ und „anderen Trägern der Jugendarbeit“ die „Träger der Öffentlichen Jugendhilfe“ ausdrücklich als Anbieter von Jugendarbeit genannt. Zwischen diesen Trägern hat sich in der Praxis im Laufe von Jahrzehnten eine Arbeitsteilung bezogen auf die in § 11 Abs. 2 genannten Hauptgebiete der Jugendarbeit herausgebildet: Die „für Mitglieder bestimmten Angebote“ machen Jugendverbände und -organisationen,“ die Offene Jugendarbeit „wird ganz überwiegend von den kommunalen Jugendämtern (in Berlin fast zu 100%) getragen und die“ gemeinwesenorientierten Angebote „werden überwiegend von lokalen Initiativen und Gruppen (oft kleine Freie Träger, die einem Dachverband wie z.B. dem DPWV angehören) getragen. Diese plurale Struktur der Träger der Kinder- und Jugendarbeit ist vom Gesetzgeber gewollt. Im „Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum KJHG/SGB VIII“ heißt es dazu: „Auch die Träger der Öffentlichen Jugendhilfe können Anbieter der Jugendarbeit sein. Gerade zur Sicherung eines pluralen Angebots und im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung (§ 79) kommt ihren Angeboten ein hoher Stellenwert zu.“
Die von den Jugendämtern zu finanzierenden Angebote der Kinder- und Jugendarbeit der Öffentlichen und der Freien Träger sollen das Ergebnis einer Jugendhilfeplanung sein, die sich an den für die Kinder- und Jugendarbeit entwickelten fachlichen Standards zu orientieren hat. Die heißen:
– prinzipielle Freiwilligkeit
– Anknüpfen an den Interessen junger Menschen
– Partizipation und Selbstbestimmung
– Befähigung zur gesellschaftlichen Mitverantwortung und sozialem Engagement
– Ganzheitlichkeit bezogen auf die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen.
Das Ganze hat zu erfolgen in demokratischen Organisationsstrukturen der Träger der Kinder- und Jugendarbeit, die die Voraussetzungen dafür bieten, dass das Partizipationsgebot nach § 8 KJHG in der Alltagspraxis verwirklicht wird.
Die Jugendhilfeplanung darf sich nicht an restriktiven Haushaltsvorgaben der Verwaltung orientieren. Ihre Vorgaben sind einzig und allein die Bedürfnisse und Interessen der Kinder und Jugendlichen und die entwickelten sozialpädagogischen Standards, mit denen darauf geantwortet wird. Auf dieser von der bezirklichen Jugendhilfeplanung entwickelten Grundlage muss der Kinder- und Jugendhilfeausschuss über die konkrete Ausgestaltung der Kinder- und Jugendarbeit entscheiden. Die verantwortliche Fachbehörde des Bezirksamts muss diese Entscheidungen fachlich und finanziell realisieren.

Unter dem Druck der Mittelkürzungen für die Jugendhilfe, die nach den Statistiken im 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (Mai 2009) für die Kinder- und Jugendhilfe allein in den Jahren 2004 bis 2006 zu einem Abbau von 28,1% der Personalstellen im Bundesdurchschnitt geführt haben (die Zahlen in Berlin und in den neuen Ländern liegen darüber) haben sich die Öffentlichen Träger in Berlin schon lange immer mehr aus der Subventionsfinanzierung gemäß § 74 SGB VIII mit geradezu dramatischen Auswirkungen auf Freie Träger zurückgezogen, mit dem Argument, nur so ihre eigene Kinder- und Jugendarbeit weiter finanzieren zu können. So hatte zum Beispiel die Evangelische Jugendarbeit im Kirchenkreis Charlottenburg noch vor fünfzehn Jahren an die zwanzig hauptamtliche MitarbeiterInnen in der Kinder- und Jugendarbeit mit einem Schwerpunkt in der Offenen Arbeit. Heute gibt es dort noch vier volle Stellen, die sich zehn MitarbeiterInnen teilen müssen. Die letzte Einrichtung mit Offener Jugendarbeit hat vor wenigen Wochen geschlossen. So oder ähnlich sieht es in den anderen Kirchenkreisen auch aus. In Neukölln war die Offene Jugendarbeit ein Schwerpunkt der Evangelischen Kirche in den siebziger/achtziger Jahren und hatte mit ihrer Praxis und Theorie Bedeutung weit über Berlin hinaus. Heute ist nichts mehr davon übrig, und die Kirche konzentriert sich mit ihren bescheidenen Mitteln inzwischen auf gemeindeorientierte Aktivitäten, in denen die Standards einer emanzipatorischen, allen Kindern und Jugendlichen zugänglichen Jugendarbeit kaum noch eine Rolle spielen. Das bedeutet im Klartext, die einmal entwickelten Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit Freier Träger wurden in den zurückliegenden zehn bis fünfzehn Jahren weitgehend zerstört. Eine halbwegs den Standards der Kinder- und Jugendarbeit personell, räumlich und sächlich entsprechende Finanzierung gibt es heute fast nur noch in kommunaler Trägerschaft. Damit soll jetzt aber auch Schluss gemacht werden. Die Bezirksämter wollen ihre Kinder- und Jugendarbeit als angeblich nicht zu den Kernaufgaben des Jugendamtes gehörend, auf Freie Träger übertragen, wie es im Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg in geradezu skandalöser Missachtung der aus § 11 KJHG resultierenden Verpflichtungen mit rein fiskalischen Begründungen gegenwärtig versucht wird.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Prinzipiell können Freie Träger ebenso wie Öffentliche Träger eine qualitativ gute Kinder- und Jugendarbeit machen. Ich selbst habe zehn Jahre Offene Jugendarbeit im Kirchenkreis Neukölln gemacht. Sie brauchen dafür aber die Mittel und die qualifizierte fachliche Partnerschaft vom Öffentlichen Träger. Der aber will sich mit Berufung auf das „Leitbild Jugendamt“ aller Aufgaben entledigen, die „in vollem Umfang übertragbar“ sind, um gerade diese Bedingungen der Subventionsfinanzierung gemäß § 74 KJHG nicht erfüllen zu müssen.
Diese Auffassung hat sich der Öffentliche Jugendhilfeträger durch die gigantische Untersuchung der Steria Mummert Consulting auf 316 Seiten aufgeblasenen Wortgeklingels bestätigen lassen. Bei dieser „Untersuchung“ handelt es sich um eine eindeutig nach strikt politischen Vorgaben durchgeführte Auftragsarbeit, deren Umsetzung die Aushebelung der Rechtsförmigkeit der Jugendhilfe im Land Berlin bedeuten würde. Ich zitiere aus dem „Muster-Jugendamt“ nach Steria Mummert:
„Das Aufgabenspektrum des Musterjugendamtes soll sich im Hinblick auf die allgemeine Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII), die Jugendsozialarbeit (§ 13 Abs. 1 und 4 SGB VIII), den Kinder- und Jugendschutz (§ 14 SGB VIII) sowie die Familienförderung (§ 16 Abs. 1 SGB VIII) auf die Angebotsinitiierung, -steuerung und -verwaltung fokussieren.

Die Vorhaltung eigener Angebote der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Familienförderung (z.B. öffentliche Jugendfreizeiteinrichtungen oder Projekte der Familienförderung etc.) zählt nicht zu den Kernaufgaben des Jugendamts (…) Bereits heute werden in allen untersuchten Bezirken Angebote nach §§ 11, 13, 14 und 16 SGB VIII von Freien Trägern bereitgestellt. Der nicht in die Untersuchungen einbezogene Berliner Bezirk Lichtenberg hat beispielsweise bereits 17 von 20 öffentlichen Jugendfreizeiteinrichtungen (JFE) an Freie Träger übertragen. Insofern kann zumindest für den Bereich der Jugendfreizeiteinrichtungen von der Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl Freier Träger in Berlin ausgegangen werden, die in der Lage sind, ein qualitativ hochwertiges Angebot zu realisieren und die erforderliche Trägerpluralität zu sichern.

Zugleich signalisiert die Kosten- und Leistungsrechnung (2007), dass die erweiterten Teilkosten in Jugendfreizeiteinrichtungen in freier Trägerschaft mit berlinweit durchschnittlich 30 Euro pro Angebotsstunde deutlich um 23 Euro unter dem Niveau öffentlicher Angebote in Höhe von 53 Euro liegen (s. Kapitel 4.5). Nach Abzug der Abteilungsamts- und Referatsumlage reduziert sich diese Differenz im Mittel über die fünf Untersuchungsbezirke auf 17 Euro. Insofern erscheint eine Übertragung öffentlicher Jugendfreizeiteinrichtungen an Freie Träger unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit sinnvoll.“
Bei diesem Vorschlag wird nicht gefragt, wie die billigerer „Angebotsstunde“ (und die ist für die Berechnung der Kosten für eine fachlich qualifizierte Kinder- und Jugendarbeit schon sowieso eine untaugliche Berechnungsgrundlage) in der Kinder- und Jugendarbeit Freier Träger eigentlich zustande kommt: Nämlich über Arbeitsverträge, die finanziell, arbeitsrechtlich und hinsichtlich der Gesundheits- und Altersversorgung die MitarbeiterInnen an die Grenze des „Prekariats“ bringt und die Kinder- und Jugendarbeit in personeller, räumlicher und sachmittelmäßiger Hinsicht zum Armenhaus der Jugendhilfe machen würde. Unter diesen Voraussetzungen werden sich nur solche Freien Träger um die angebotenen Jugendeinrichtungen der Bezirke bewerben können, die, wie die Sportjugend und andere Sozialkonzerne, über genügend Eigenmittel verfügen, um die eingehandelten Nachteile ausgleichen zu können. Eine solche Reduzierung würde dem in § 11 festgeschriebenen Träger-Pluralismus widersprechen. Das wird auch vom Bundesverwaltungsgericht in dem oben zitierten Urteil so gesehen. Solche Träger haben aber keine Tradition und Erfahrung mit einer auf Offenheit und Partizipation und Wahrnehmung ganz unterschiedlicher Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen in ihrer freien Zeit angelegten Arbeit.

Mit diesem Vorhaben missachten die Öffentlichen Träger eklatant das zentrale Partizipationsgebot nach § 8 KJHG. Wer fragt eigentlich die Kinder und Jugendlichen, die die Räume der Jugendarbeit aufsuchen, ob sie diesen angestrebten Trägerwechsel, verbunden mit MitarbeiterInnen-Wechsel, voraussehbaren inhaltlichen Veränderungen und Ausstattungsverschlechterungen haben wollen? Und wer fragt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die diese Arbeit gegenwärtig machen? Die MitarbeiterInnen der Kinder- und Jugendarbeit im Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg haben erst kürzlich ein umfangreiches Entwicklungs- und Planungspapier für ihre Arbeit in den Jahren 2010/2011 vorgelegt. Ihr Engagement wird nicht wertgeschätzt. So wie ihnen geht es vielen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt die Erfahrung machen werden, dass ihre engagierte sozialpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen lediglich ein Verfügungsposten im fiskalischen Rechenspiel ist. Die allermeisten von ihnen werden von ihrem arbeitsrechtlich verbrieften Options-Recht gebrauch machen, sich nicht auf ungewisse Beschäftigungsverhältnisse bei von „Zuwendungen“ des Öffentlichen Trägers der Jugendhilfe abhängigen Freien Trägern einlassen und frustriert in den „Stellenpool“ des Innensenators wandern. Dieser Stellenpool, der in Berlin schon seit vielen Jahren jede fachlich angemessene Personalentwicklung in den Jugendämtern verhindert, wird durch solche fragwürdigen Strategien der „Haushaltskonsolidierung“ immer wieder aufgefüllt.

Es gibt aber noch einen anderen wesentlichen Grund, den Steria-Mummert-Vorschlag für ein sogenanntes Muster-Jugendamt und die Aufgabenreduzierung der Jugendämter nach dem Berliner „Leitbild Jugendamt“ abzulehnen, den Reinhard Wiesner, einer der Architekten des KJHG kürzlich in einem Interview formuliert hat. Ich zitiere:
„Selten zuvor in meiner langjährigen ministeriellen Zuständigkeit für die Kinder- und Jugendhilfe habe ich eine solche Diskrepanz zwischen der politischen und der fachlichen Einschätzung im Hinblick auf einen gesetzlichen Regelungsbedarf wahrgenommen, wie bei dem von Ihnen zitierten Kinderschutzgesetz.“ Er habe die Sorge, „dass die medial gestützte Diskussion um den Kinderschutz in den letzten Monaten im Hinblick auf die Aufgaben der Jugendhilfe, speziell des Jugendamts, die Gefahr birgt, dass Kinder- und Jugendhilfe wieder auf Gefahrenabwehr und Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung reduziert wird und damit Kurskorrekturen vorgenommen werden. Das wäre tatsächlich ein Rückfall in Zeiten, die wir längst überwunden glaubten. Es wäre geradezu zynisch, wenn sich der Staat aus seiner präventiven und familienunterstützenden Rolle (und dazu zählen erklärtermaßen alle die Aufgaben der Jugendhilfe, die laut ‚Leitbild’ und ‚Musterjugendamt’ nicht zu den ‚Kernaufgaben’ des Jugendamts gehören sollen, M.K.) zurückzöge und abwartete, bis die familiären Belastungen als Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung zu deuten sind und damit seine Eingriffsfunktion aktuell wird (…) Dabei darf aber Prävention nicht als vorbeugende Kontrolle verstanden beziehungsweise missbraucht werden.“ (Das Interview kann nachgelesen werden in: Übergänge – Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, Festschrift zum sechzigjährigen Bestehen der AGJ, Hrsg. Arbeitgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe, Berlin 2009, S. 46ff.)
In der Tat: Es handelt sich um nichts weniger als um einen Paradigmenwechsel, dem das freundliche und fördernde sozialpädagogische Gesicht des Jugendamts, das in einem langen schwierigen Reformprozess entwickelt worden ist und dringend weiterer Entwicklung bedarf, zum Opfer fallen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts dieser Situation muss man es hoch einschätzen, wenn Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe in allen ihren Bereichen den Belastungen standhalten und sich nicht resigniert auf die Alltagsroutine zurückziehen. Das gilt meines Erachtens besonders für Kolleginnen und Kollegen in den Jugendämtern. Sie erreicht der Druck über haushaltspolitische Entscheidungen und die mit Recht kritische Berichterstattung in den Medien zuerst und es fordert sozialpädagogische Zivilcourage, mit standzuhalten und den Druck nicht an die freien Träger, Kinder, Jugendliche und Familien weiterzugeben. Es ist nicht leicht, unter diesen restriktiven Vorgaben die auf Offenheit und Partizipation angelegte Kooperation mit freien Trägen zu entwickeln und durchzuhalten, wenn in der Hierarchie der Jugendämter interne Partizipation klein geschrieben wird. Und es ist für freie Träger schwer, nicht in die auf dem Markt der Jugendhilfe-Subventionen aufgestellten Konkurrenzfallen zu laufen und noch schwerer, Erfahrungen des Scheiterns, die in der Kinder- und Jugendhilfe zum Alltag gehören, offen zu diskutieren, wenn einem ständig der Nachweis von vor-definierten Erfolgen abverlangt wird. Nach meiner Wahrnehmung ist eine Ursache für Resignation und Frustration vieler KollegInnen der krasse Widerspruch zwischen den populistischen Schönwetter-Reden von PolitikerInnen in Bund, Ländern und Kommunen, die heute mit einem elaborierten
erziehungs- und sozialwissenschaftlichen Sprachgestus geführt werden und ihren restriktiven haushaltspolitischen Entscheidungen, die den Arbeitsalltag in den Ämtern, den Einrichtungen, den Initiativen und Projekten präjudizieren. Mein Eindruck ist, dass die Schere zwischen propagandistischer Rhetorik und Wirklichkeit in der Kinder- und Jugendhilfe in den fünfzig Jahren meiner Zeit in diesem Feld noch nie so groß war wie heute. Dem entspricht auf den Leitungsebenen so mancher öffentlicher und privater Träger der von Hans Thiersch als „Manageralismus“ bezeichnete Sprachgestus von Amtsinhabern und Funktionären, mit dem sie sich den politischen Vorgaben anpassen. (Vgl.: Die gesellschaftliche Realität der Kinder- und Jugendhilfe – Ein Gespräch von Norbert Struck mit Hans Thiersch. In: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe. 2009f, S. 73ff.)
Dem allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir nicht hilflos ausgesetzt sein, wenn wir es nicht wollen. Wir müssen unseren Widerstand auch nicht defensiv darauf beschränken, das in den vierzig Jahren Jugendhilfereform Erreichte, aus dem wir ja aus guten Gründen Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein ziehen können, zu verteidigen, sondern können uns selbst ermächtigen, kritisch und offensiv für ein „gerechtes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen“ in dieser reichen Gesellschaft einzutreten, wie es der 13. Deutsche Kinder- und Jugendhilfetag im vergangenen Jahr als jugendpolitische Leitlinie der Kinder- und Jugendhilfe formuliert hat:
„Zentrale Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es, mit ihren Angeboten, Hilfen und Leistungen dazu beizutragen, jungen Menschen in ihrer individuellen sozialen Entwicklung, insbesondere mit der jugendpolitischen Perspektive der Befähigung zu und der Verwirklichung von Bildung, Integration und Teilhabe zu fördern, und Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen. (…)
Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (§ 1 Abs. 1 SGB VIII).“